Galerie_Nothelfer_7
Galerie_Nothelfer_8
Galerie_Nothelfer_3-1
Galerie_Nothelfer_4-1
Galerie_Nothelfer_6-1

ALL THAT IS SOLID…

16. September – 30. Oktober 2021
Opening: 15. September, 18 – 21 h

Opening hours: Thursday – Friday 12 – 19 h, Saturday 12 – 18 h
Opening hours during the Gallery Weekend: Friday – Sunday 12 – 20 h

Galerie Georg Nothelfer
Corneliusstraße 3
10787 Berlin
Tel.: 030 881 44 05

Artist

Birte Bosse / Nadine Fecht / Birgit Hölmer / Georges Noël / Robert Schad
Invited by Ludwig Seyfarth: Jeongmoon Choi / DAG / Ignacio Uriarte

Press text (de)

Die Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend, die der italienische Schriftsteller Italo Calvino 1985 formulierte, sind ein Plädoyer für die intellektuelle und anschauliche Kraft der Kunst und ihre Fähigkeit, die Welt
in immer neuen materiellen Qualitäten, gleichsam in Aggregatzuständen, zu beschreiben. So beobachtet Calvino „zwei gegensätzliche Bestrebungen,“
die „einander das Feld der Literatur durch die Jahrhunderte hindurch streitig machen. Die eine sucht aus der Sprache ein gewichtsloses Element zu machen, das über den Dingen schwebt wie eine Wolke oder besser gesagt
wie ein feiner Staub oder noch besser wie ein Feld von Magnetimpulsen; die andere ist darauf aus, der Sprache das Gewicht, die Dichte und die
Konkretheit der Dinge zu geben, die Konsistenz der Körper und Empfindungen.“[1]

Was Calvino für die Literatur beschreibt, lässt sich unmittelbar auf die
Bildende Kunst übertragen. Ein Spektrum von Erdenschwere bis zu luzider Leichtigkeit findet sich auch in der Ausstellung „All that is solid…“, die Werke acht verschiedener Künstler*innen aus unterschiedlichen Generationen gegenüberstellt. Ausgangspunkt bilden die von gestischen Spuren und
Zeichen geprägten Werke von Georges Noël, einem zentralen Vertreter des französischen Informel, der selbst äußerte: „Es geht darum, alles Materielle
ins Immaterielle zu verwandeln.“ Und schon aus wenigen Strichen kann ein Raum entstehen. So bezeichnet der Zeichner und Bildhauer Robert Schad seine Stahlskulpturen als „plastische Notationen“. Als Zeichnungen im Raum lassen sich auch die humorvollen Objekte lesen, die Birte Bosse in ein labiles Gleichgewicht zwischen Leichtigkeit und Schwere bringt. Eine Spannung zwischen organischen und geometrischen Formen kennzeichnet das „Zeichnen“ bei Birgit Hölmer, für das sie auch Prägungen oder Klebestreifen einsetzt. Bei DAG wird das strenge Verfolgen geometrischer Raster immer wieder von Störungen durchkreuzt, die wie biologische Lebenszeichen in
einem technischen Universum erscheinen. Ignacio Uriarte nutzt ein technisches Gerät, die Schreibmaschine, um ihr ungeahnte bildnerische Möglichkeiten zu entlocken. Zeile für Zeile geht auch Nadine Fecht vor, wenn sie einzelne Worte oder Sätze iterativ niederschreibt und daraus Zeichnungen werden, die aus der Distanz Flimmereffekte fast wie bei der Op Art erzeugen. Vor unseren Augen flimmern auch die farbigen Fäden, die Jeongmoon Choi sowohl zu Bildobjekten als auch durch ganze Räume spannt, wo sie geheimnisvoll und scheinbar entmaterialisiert in Schwarzlicht leuchten.
(Text: Ludwig Seyfarth)


[1] Italo Calvino, Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend. Harvard-Vorlesungen. Aus dem Italienischen von Burkhard Kroeber, München 1991, S. 31.

Press text (en)

The Six Memos for the Next Millennium that Italian author Italo Calvino formulated in 1985 is a plea for the intellectual and graphic power of art and its ability to describe the world in ever new material qualities, in states of aggregation, as it were. Calvino noted, „two opposing literary tendencies have competed over the centuries: one that seeks to make language a weightless element that hovers over things like a cloud, or, better, a fine dust, or, better still, a magnetic field; another that seeks to imbue language with the weight and thickness and concreteness of objects and bodies and sensations“.[1]

What Calvino describes for literature can be transferred directly to visual art. The exhibition „All that is solid…“ contrasts the works of eight different artists on a spectrum from earthiness to lucid lightness. The starting point is the gestural traces- and symbol-imbued work of Georges Noël, a central proponent of French Art Informel, who stated: „It’s about transforming everything material into the immaterial. And even a few strokes can create a space.” This is how the draughtsman and sculptor Robert Schad describes his solid steel sculptures as “plastic notations“. The humorous objects that Birte Bosse brings into a precarious balance between lightness and heaviness can be read as drawings in space. A tension between organic and geometric forms characterises the ‚drawing‘ of Birgit Hölmer, for which she uses embossing or adhesive strips. In DAG’s work, the relentless pursuit of geometric grids is repeatedly disturbed by disruptions, which look like biological signs of life in a technical universe. Ignacio Uriarte uses a technical machinę – a typewriter – to tease out her unforeseen visual possibilities. Nadine Fecht also progresses line-by-line when she writes down repeated words or sentences, creating a drawing that, from a distance, generates Op-Art-like flickering effects. Also flickering before our eyes are the coloured threads that Jeongmoon Choi stretches not only into pictorial objects but also through the entire room, where they glow mysteriously and are seemingly dematerialised in the black light. (Text: Ludwig Seyfarth)


[1] Italo Calvino, Six Memos for the Next Millennium, trans: Graham Brock, Mariner Books, Houghton Muffin Harcourt, Boston/New York 2016, p. 22